Als Kinaestheticstrainer bin ich fasziniert von der Bedeutung der Bewegung für das menschliche Leben. Für mich geht es hier aber nicht nur um die Mobilität, sondern auch um die vielfältige Auswirkung von Bewegungskompetenz auf die Lebensqualität. Dazu möchte ich Ihnen das integrale Lebensqualitätenmodell von Hennessey und Knobel vorstellen und dann auf die Umsetzung des Handlungs- und Bewegungskonzepts Kinaesthetics im Bereich der Rummelsberger Dienste für Menschen mit Behinderung (RDB) eingehen.
Dimensionen der Lebensqualität
Im Mittelpunkt dieses Modells steht der Aspekt „bewegungskompetent sein“. Unter Bewegungskompetenz wird die Fähigkeit verstanden, die individuellen Möglichkeiten der eigenen Bewegung zu entwickeln und anzupassen. Dies kann ich machen, indem ich mich gezielt mit der bewussten und auch differenzierten Bewegungswahrnehmung auseinandersetze, bzw. meinem Gegenüber ermögliche.
Außen sind die Dimensionen angeordnet, die den Bezug zu den Lebensqualitäten aufnehmen. Eine davon ist „wirksam sein“. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit ist für Menschen unabdingbar, um psychisch und physisch gesund zu bleiben und Resilienz aufzubauen. Selbstwirksamkeit bedeutet, die innere Überzeugung zu haben, schwierige oder herausfordernde Situationen aus eigener Kraft heraus gut meistern zu können.
Eine weitere Dimension ist das „autonom sein“. Was so viel bedeutet wie Unabhängigkeit oder Selbstständigkeit. Dies kann verschiedene Facetten haben. Ich habe etwa die Auswahlmöglichkeit von mehreren Alternativen. Autonomie kann aber auch die Unabhängigkeit von Zwängen sein. Das können innere Zwänge sein, die mich beeinflussen oder äußere Rahmen, die mein Handeln einschränken. Die nächste Dimension ist „verbunden sein“. Dies wird assoziiert mit Verständnis, Geborgenheit, Sicherheit, Zugehörigkeit und Liebe. Wenn wir verbunden sind, fühlen wir uns nicht allein. Im Grunde ist es ein Wunsch nach unserem ursprünglichen Sein. Verbunden sein meint sowohl das positive Gefühl, das in uns beim Zusammensein mit anderen Menschen entsteht, als auch das gute Gefühl, das bei anderen beim Zusammensein mit uns entsteht. Die bekannte Aussage von Martin Buber „Der Mensch wird am Du zum Ich“ impliziert dies.
Die letzte Dimension ist das „sinnerfüllt sein“. Mein Handeln muss sinnvoll sein. Der Wunsch nach einem höheren Sinn stelle ich mir. Was ist mein Beitrag? Man erlebt sich als Teil eines größeren Ganzen und wächst über sich selbst heraus.
Das menschliche Leben ist komplex und bedarf einer Reflexion. Das integrale Lebensqualitätsmodell macht deutlich, dass Bewegungskompetenz eine Grundlage für die Erfüllung von Grundbedürfnissen ist und Entwicklung ermöglicht. Bewegung ist also nicht nur Mobilität, sondern auch Weiterentwicklung im menschlichen Dasein. Für mich als Mitarbeiter*in und für mein Gegenüber.
Die RDB hat bewusst das Handlungs- und Bewegungskonzept Kinaesthetics im fachlichen Konzept integriert. Die Klient*innen und die Mitarbeitenden erlernen das „wie“ der Bewegung durch das bewusste Wahrnehmen der eigenen Bewegung. Bewegungslernen im Alltag fördert und ermöglicht Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeitserleben. Eine Grundlage für die Teilhabe. Mitarbeitende lernen eine differenzierte Bewegungswahrnehmung und somit die Möglichkeit des Eigenschutzes durch Vermeidung von ungünstigen Bewegungsabläufen. Geschult wird bewusst in Inhouse-Seminaren mit Praxisbegleitung, um Lernprozesse vor Ort in Realsituationen umzusetzen. Weitere Unterstützung wird durch individuell abgestimmte Praxisbegleitung ermöglicht. Hierzu läuft aktuell die Aktion Sinn-WERTstatt. Eine Weiterqualifizierung wird durch einen Aufbaukurs Kinaesthetics ermöglicht, in welchem die Praxisbegleitung in der Schulung integriert ist. Im Herbst 2024 startet die Weiterbildung Peer-Tutoring Kinaesthetics um die Anleitungsqualifikation in den Einrichtungen/Bereiche zu installieren.
Kinaesthetics-Schulungen finden auch im Bereich der Altenhilfe, Kindertagesstätten und Schulen statt. Denn Lebensqualität ist überall wichtig und hier ist die Bewegungskompetenz eine Grundlage!