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Umgang mit der Ungewissheit

 

Umgang mit der Ungewissheit Selbstwirksamkeit stärken

Was macht man in einer Zeit, in der die einzige Gewissheit die Ungewissheit ist…? Wir erleben gerade außergewöhnliche Zeiten. Die Ungewissheit hat uns durch das Coronavirus mit Wucht erfasst. Wir alle waren von Maßnahmen betroffen – in einer noch nie dagewesenen Weise. Die Folgen sind für jeden von uns unterschiedlich. Für einige bietet die Situation neue Optionen und Wege. Andere werden in ihrer finanziellen und sozialen Existenz erschüttert. Etliche haben Sorgen um ihre Gesundheit. Manche gehören zur Risikogruppe und leben mit der Angst vor einem schweren Krankheitsverlauf. Was macht diese Ungewissheit mit uns und wie erleben wir sie? Wie können wir einen Umgang damit finden? Und wie können wir dieser Ungewissheit aus eigener Kraft heraus, sozusagen durch Selbstwirksamkeit, gut begegnen? Dieser Artikel dient als kleiner Kompass, der einen möglichen Umgang mit diesen Zeiten von Ungewissheit zeigt. Er darf uns bewusstmachen, wie wir selbst unser Erleben erzeugen und welche Rolle es dabei spielt, wohin wir die Aufmerksamkeit unserer Gedanken lenken.

Unsere Gedanken erzeugen Erleben

Durch das Coronavirus sind wir uns unserer Sterblichkeit und der Unvorhersehbarkeit der Zukunft intensiver bewusstgeworden. Die Gedanken an das Ungewisse und das über uns schwebende Damoklesschwert, lösen oft ganz natürliche Angstdynamiken in uns aus. Wichtig dabei ist, dass das Erleben der Angst völlig normal und verständlich ist. Angst ist für uns Menschen ein wertvoller Verbündeter, der uns auf unser Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit hinweist. Aber wie wird das Erleben der Angst eigentlich erzeugt? Angst entsteht nicht durch Gedanken zurück in die Vergangenheit. Angst erlebt man auch nicht im Denken in der Gegenwart, im Hier und Jetzt. Sondern Angst entsteht durch eine bestimmte Art von Gedanken, Phantasien und Hypothesen in die Zukunft. Unser Gehirn entscheidet dabei nicht zwischen ausgemalter und realer Situation. Ich möchte das an einem Beispiel zur Corona-Situation beschreiben: „Ich habe Angst, dass ich mich oder meine Liebsten mit Corona anstecke und wir erkranken, sogar sterben könnten!“ Wenn Sie diesem Gedanken einmal nachspüren… Was macht dieser mit Ihrem emotionalen und körperlichen Erleben?

Wir erzeugen unser Erleben selbst

Wir denken an ein Ereignis in der Zukunft und wissen nicht, ob und in welcher Art und Weise diese Zukunftsphantasien eintreffen. Natürlich kann jede Phantasie auch Realität werden, aber erst einmal sind es nur Hypothesen und noch keine Wahrheiten. Durch diese Gedanken und das Ausmalen einer Zukunftsphantasie erzeugen wir ein bestimmtes Erleben in uns. In dem genannten Beispiel ein mögliches Erleben von Angst, Hilflosigkeit oder ein Gefühl von Ohnmacht. Auch unser Körper reagiert auf diese Gedanken meist mit Engegefühl in der Brust, Herzrasen, Übelkeit, Schlaflosigkeit oder ähnlichen Symptomen. Unser Gehirn nimmt also diese Gedanken nun als wahr an und erzeugt ein bestimmtes Erleben in uns. Wenn wir dann auch noch mit diesen Zukunftsgedanken und Phantasien sprichwörtlich verschmelzen, erleben wir ein Gefühl von Hilflosigkeit, das oft zur Handlungsunfähigkeit führt. Wir sind dann in unserer Selbstwirksamkeit nicht mehr frei und fühlen uns von der Ungewissheit der Zukunft übermannt. Es ist daher hilfreich, einen anderen Umgang mit der Ungewissheit zu finden, um weiterhin handlungsfähig und selbstwirksam zu bleiben.

Eigene Selbstwirksamkeit stärken

Wie können wir den Umgang mit der Ungewissheit aus eigener Kraft selbst gestalten? Wir können uns bewusstmachen, dass wir unser Erleben selbst erzeugen. Dass die Aufmerksamkeit unserer Gedanken auf bestimmte Zukunftsphantasien eine große Rolle dabei spielt. Dass wir unsere Selbstwirksamkeit damit stärken können, indem wir hilfreiche Netzwerke in unserem Gehirn aktivieren… …wir können also trotz der Ungewissheit unserer eigenen Gewissheit gewiss sein! Dies möchte ich an einem weiteren Beispiel dazu beschreiben. „Es ist völlig unsicher, ob ich mich oder meine Liebsten mit Corona anstecke. Ich kann die Zukunft nicht vorhersehen… spüre aber ein Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit und suche nach Möglichkeiten, mich und andere bestmöglich zu schützen…“. Spüren Sie diesem Gedanken nach. Was macht das mit Ihrem emotionalen und körperlichen Erleben? Wir lenken in diesem Gedanken unsere Aufmerksamkeit in eine Richtung, die hilfreiche Netzwerke in unserem Gehirn aktiviert. Diese Fokussierung unserer Gedanken liegt hier nicht in negativen Zukunftsphantasien, die Angstdynamiken auslösen. Sondern sie beschäftigen sich mit Bedürfnissen und Möglichkeiten in der Gegenwart, im Hier und Jetzt. Daher erzeugen wir in uns eher ein Erleben von Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit, trotz der weiterhin ungewissen Zukunft. Das bewusste Würdigen der Angst gepaart mit hilfreicheren Erlebensgedanken verschaff t uns ein emotionales und körperliches Erleben von Stärke und Kraft. Demzufolge dürfen wir uns gerade in Zeiten von Ungewissheit immer wieder mal selbst die Frage stellen: „Ist dieser Gedanke für das, was mir gerade wichtig ist, hilfreich?“

Zusammengefasst gedacht…

Beobachten und Wahrnehmen der Gedanken: Sind die Gedanken an bestimmte Zukunftsphantasien gerade hilfreich? Bewusstmachen, dass diese Gedanken noch keine Wahrheiten sind. Angst annehmen und würdigen: Das Gefühl der Angst würdigen und die Bedürfnisse dahinter wahrnehmen. Von der Angst nicht beherrschen lassen, sondern sie für sich nutzbar anerkennen. Ungewissheit akzeptieren: Ungewissheit lässt sich nicht durch Denken in Zukunftsphantasien beeinflussen und kontrollieren. Die Ungewissheit gehört zum Leben. Keiner von uns kann die Zukunft vorhersagen, egal, ob in Corona-Zeiten oder auch in den anderen Zeiten. Wir können aber der Ungewissheit aus eigener Kraft heraus gut begegnen. Eines bleibt somit sicher, dass die einzige Gewissheit die Ungewissheit ist!

Patricia Bedkowski Studienleiterin Diakonische Akademie